==================
== Hiro's Stuff ==
==================
Valentin Boettcher's Site

Doubt Day

Posted on in Canada • 544 words • 3 minute read

Schluss mit dem Gejammer!

Mein jüngster emotionaler Parabelflug begann am Samstag. Ich hatte mich im Büro eingelebt und festgestellt, dass es doch garnicht so schlimm, ja sogar recht angenehm war, sobald ich mich eingerichtet hatte.

Meine Kollegen sind sehr sympathisch, ich habe die Quelle des Teewassers ausmachen können und meinen großen Monitor aufgebaut. Um nicht so eingeengt zu sein, habe ich auch den Spind weggeschoben und damit eine Schöne Aussicht nach draußen. Mein Schreibtisch hat für die Nutzung meines Grafik-Tablets die perfekte Höhe und mir fehlen nur noch Hausschuhe für das perfekte Büroglück.

Am Samstag war ich dann Schlittschuhlaufen mit anderen Doktoranden. Allesamt sehr nette Menschen und vor allem die Physiker:innen. Ein begeistertes MOC Mitglied macht seinen Doktor bei einem Quantencomputer Unternehmen und entwickelt eine Bibliothek in Julia :). Davor und danach arbeitete ich an der Einarbeitung in mein Projekt, wobei ich mich auf die Herleitung einer sehr einfachen Gleichung fest geschossen hatte. Daran herumzudoktern machte mir aber sehr viel Freude und so war die Welt für mich am Samstag perfekt.

Sonntag kam dann der Crash. Ich hatte überhaupt erst am Wochenende gearbeitet, da ich am Montag (heute) ein Meeting mit den Experimentatoren hatte und wenigstens etwas von der Materie verstehen wollte. Also setzte ich mich hin und versuchte möglichst schnell möglichst viel zu verstehen. Natürlich ging das in die Hose und ich saß bis spät am Abend da und konnte aus lauter flucht/erstarrungs-Reflex kaum mehr denken. Heute Morgen dann war das Meeting und ich konnte nicht wirklich viel verstehen. Auch begann ich mehr denn je zu Zweifeln und Alternativen abzuwägen.

Mein Betreuer ist sehr verständnisvoll und versicherte mir, dass ich mir nicht solch einen Stress machen sollte. Auch bezüglich des Projektes sei noch nicht abzusehen, in welche Richtung es sich entwickeln würde.

Nach einem Gruppenmeeting, dass ich damit Verbrachte alle meine Telegramkontakte vollzujammern, machte ich mich auf zu einem Spaziergang über Mont-Royal, um den Kopf freizukriegen, ein Sandwich zu verzehren und einen Kaffe zu trinken. Auf dem Weg telefonierte ich mit meiner Schwester und konnte meine Melancholie so fast loswerden. Der Winterwald regelte dann den Rest.

Ich kam zu dem Entschluss, mir bis zum neunten Februar, dem Doubt Day, keine zweifelnden Gedanken zuzulassen. Wenn mir dann in einem Monat nicht eindeutig klar ist, ob ich weitermachen will, wiederhole ich diese Vorgehensweise für einen weiteren Monat, mache mir also keine Gedanken bis zum neunten März und so weiter. Ich halte im Zweifel an meiner Entscheidung fest und ziehe Alternativen nur in Betracht, wenn ich mir sicher bin, dass ich mit dem PhD Projekt und meiner Situation in Canada nicht glücklich werden kann. Im Augenblick weiß ich einfach viel zu wenig und sich Sorgen zu machen oder gar vor Augen zuhalten, welche Gelegenheiten man eventuell verpasst, ist einfach nicht hilfreich. Stattdessen gehe ich jetzt ganz ohne Druck und mit Neugier an das Projekt heran, denn ich habe nichts zu verlieren :P. Ich habe mich mit meinen guten Noten und meiner Masterarbeit bewiesen und gelernt, dass “einfach machen”" hilft.

Oben auf dem Mount Royal Outlook kam ich mit einem netten Mann aus Toronto ins Gespräch, welcher mit seinem Sohn für ein Hockeyspiel nach MTL gekommen ist. Es ist immer herzerwärmend, wie offen und freundlich die Menschen hier sind.

Gehabt euch gut und bis zum nächsten mal.