Er lebt
Posted on in Neuseeland • 1420 words • 7 minute read
Holla. Er lebt noch. Nach ein paar interessanten, angespannten und entspannten Wochen nehme mir endlich einmal Zeit, einen überfälligen und hoffentlich heiß ersehnten Blogeintrag zu schreiben.
Selten kaum mir ein dermaßen praktischer Geistesblitz zu passe. So einleuchtend im Charakter die Idee auch war, lange blieb Sie mir dennoch Verborgen. Die Rede ist von einem, von mir nunmehr täglich in strenger Disziplin geführten, persönlichen Tagebuch, als kleines accompagnement zu meinem Work-Diary. Endlich muss man sich keine Sorgen machen, das unvergessliche erlebte in seiner schieren Masse zu vergessen. Jeden Abend also tippe ich also mehr oder manchmal auch, der Müdigkeit geschuldet, weniger einen kurzen Tagesbericht inklusive neuer Erkenntnisse und zwangsläufig auch Fragen. Zu eurem Leidwesen resultierte das Ganze in einer BlogPostFaulheit, der ich mit diesem Eintrag ein Ende zu setzen versuche.
Hmm. Wo waren wir stehen geblieben … Ich war zurück von Fiji und bin nun…
… In Whakatane, genauer nahe Thornton Beach. Die Reise von Wellington habe ich in zwei Hälften geteilt, um die Fahrt auch genießen zu können. Gesehen habe ich den Tongariro National Park, oder besser: ich habe ihn auf State Highway One durchfahren (wärmstens zu empfehlen), ich bin auch gewandert und im eisigen Lake Taupo geschwommen. Übernachtet habe ich in einem Backpacker Hostel und war sehr angenehm überrascht. Sauber, leise, gemütlich und preislich sehr attraktiv stand die Unterkunft, wie ich nun weiß, in angenehmen Kontrast zu anderen Herbergen. Am zweiten Tag verfuhr ich mich erst einmal gründlich und endete an einer abgesperrten Forrest-Road, dann an einer Weiteren und schließlich auf dem Highway. Pünktlich zum Lunch fand ich beim dritten Versuch das Haus meiner Hosts und siehe da, eine weitere sehr positive Überraschung wartet auf mich. Wirklich direkt in den Sanddünen gelegen und liebevoll gestaltet, ein Ort, besser als jedes Ferienhaus. Es lebt sich sehr schön bei den Niederländern Wilhelmina und Gerrit und besonders das Essen ist unübertrefflich. Die Beiden haben eine unglaubliche Menge an Olivenbäumen und stellen mit ersten Plätzen und Goldzertifikaten ausgezeichnetes Oliven-Öl her (und das erst seit wenigen Jahren!). Die Arbeit ist relativ hart, aber abwechslungsreich. Sogar auf dem Markt verkaufen durfte ich! Sehr spannend. Aus vielerlei Perspektiven zähle Will und Gerrit zu den besten WWOOfing Hosts, bei denen ich das Glück hatte, aufgenommen zu werden. In Konjunktion mit meiner etwas merkwürdigen und gestressten Stimmung in den letzten Wochen muss ich aber auch gestehen, das ich die Sache etwas ambivalent sehe. Diese Ambivalenz hat mir in letzter Zeit sehr viel zu denken gegeben. Wir unterhalten uns wunderbar und sehr lang zu - und nach den meisten Mahlzeiten, dennoch sind die Hosts eher Gut, aber nicht “Warm”. Das mag von ihrer halb professionellen Einstellung gegenüber WWOOFern liegen, wobei ich damit, nun da ich weis, das der Garten und das Olivenöl wirklich nur Hobby sind, besser klar komme. Will und besonders Gerrit sind schon über das Berufsleben hinaus (Gerrit ist 69 Jahre alt, ich habe ihn auf Mitte 50 geschätzt), brauchen die Arbeit scheinbar aber doch, denn besonders Gerrit arbeitet bis zum Buchstäblichen Umfallen. Von uns wird das nicht erwartet, aber dennoch spiegelt sich das in einer gewissen Erwartungshaltung wider. In der Praxis erfährt man meistens nur, wenn etwas falsch ist und muss Lob “erfragen”. Das alles hat sich wahrscheinlich durch die schiere Masse an WOOFern, die hier über das Jahr arbeiten, so eingependelt und ist nun einfach hinzunehmen. Damit ist es auch schwieriger motiviert und effizient zu arbeiten, da einem immer die Angst vor dem Fehler im Nacken sitzt. Um einen Schluss damit zu machen: Es sind die ersten Hosts, bei denen ich mich in der schwachen Position des Bittstellers sehe. Daneben aber ist alles und besonders das Essen, Tip Top! Jeder WWOOFing Host ist anders und das ist auch gut so!
Nun, zu entspannen das ist so eine Sache. Ich habe mich wohl etwas in eine “ich muss meine ToDo-Liste abarbeiten, es so viel zu tun” Stimmung hineingesteigert. Und da mir hier, weil ich endlich mal etwas unternehme und wir so lang am Esstisch reden, erstaunlich wenig Zeit bleibt, kann das sehr frustrierend werden. Ich sage mir jetzt: Du kannst nur das tun, was du auch wirklich jetzt tun kannst. Nun, das klappt mal mehr und manchmal weniger, aber die Tendenz sieht gut aus.
Ich WWOOFe hier nicht allein. In den ersten zwei Wochen gab es noch eine Kiwi WWOOFerin in den 40igern namens Tracy. Und Tracy war und ist wirklich das beste hier. Unglaublich großherzig, humorvoll und auch tiefsinnig wurde Sie mir zur guten Freundin, so gut das es nur mit Mich zu vergleichen, nicht aber in Worte zu fassen ist. Es gab viel zu lernen vom Neuseeländischen Lebensstil der Entspanntest. Tracy selbst ist zwar viel Gereist, war nebenbei aber Work-A-Holic und Mutter. Um mal auszusteigen ist Sie geWWOOFt und schließlich hier gelandet. Das eigene Land zu bereisen ist eine gute Idee. Nun jetzt weiß ich, was ich mache, wenn ich zurück in Deutschland bin.
Das wunderschöne Whakatane ist eine sehr offene, kleine aber schöne Stadt und so verbrachte ich meine Erste Woche hier damit zu arbeiten, mir Sorgen zu machen und die Stadt zu bewundern. Will und Gerrit schlugen eines Abends vor, wenn man schon einmal in der Gegend sei, die Coromandel Halbinsel zu besichtigen (einen der schönsten Landstriche Neuseelands). Ich, immer noch meschugge vom Ankunfts-Schock (irgendwie hab ich den bei neuen Hosts immer), legte die Idee erst einmal zu den Akten, bis Tracy vorschlug, man könne doch zusammen Reisen. Also setzten wir uns ans Planen (ich hasse planen, habe aber noch zwei Nachmittage mit dem Planen meines Südinselaufenthaltes verbracht) und brachen bald darauf zum wunderbaren 4-Tages Trip auf. Und wieder hatte ich großes Glück Tracys wunderbaren Bruder, dessen Frau und weitere Freunde kennen zu lernen, bei denen wir das Glück hatten, übernachten zu dürfen. Es war eine gute Erfahrung, zu sehen, wie viele warmherzige Menschen es auf der Welt gibt. Besagte Freunde von Tracy waren in ihrer Kindheit, wie zweite Eltern und somit waren viele Erinnerungen mit dem Besuch und dem wunderbaren Stück Land, auf dem sie oft spielte (an der Formulierung ist noch zu arbeiten), Verbunden. An Sommertagen als 13 Jährige spontan auf dem Meer drauf los zu Segeln, das klingt für mich traumhaft und unvorstellbar. Auch in anderen Hinsichten haben wir einen lohnendenTrip verbracht. Das meine ich buchstäblich, denn die Aussicht war wundervoll und ich durfte aus dem Fenster Gaffen (und Filmen, Verweis auf Google-Photos) währen Tracy halsbrecherisch im Kiwistyle fuhr. Um es Kurz zu machen: Wir sind einmal rundherumgefahren und haben viel gesehen. Dabei habe ich gelernt, dass Touristenattraktionen einfach lächerlich sind und man schon mit ein paar wenigen schritten in die Natur für sich selbst und mit guten Menschen noch viel Schöneres erleben kann. Nun ein gutes hat es dann doch gehabt: Den Touris am Hot-Water-Beach dabei zuzuschauen, wie sie sich, Schulter an Schulter stehend, gegenseitig die Sandlöcher zuschaufeln, war schon mit erheblichen Amusement verbunden. Auch war der Anblick von Mount Manganui atemberaubend.
Nun bin ich wieder zurück und muss wieder einmal gestehen, das ich trotz der wunderbaren Reise froh bin, wieder Back-To-Normal zu sein (was auch immer das beim WWOOOFing bedeuten mag).
Tracy ist weitergezogen, hilft ihrer Schwester beim Einrichten eines Kindergartens und wird, hinter ihrer Tochter her, nach Asien (Cambodia, Laos, etc…) reisen. Ich indessen vermisse sie sehr, komme aber in Genuss jetzt einmal den erfahrenen spielen zu dürfen.
Das bedeutet, dass wir eine neue dänische WWOOFerin haben, mit der ich mich schon recht gut angefreundet habe. Sie ist Psychologie und Neure-Sciences Studentin und nimmt sich eine Auszeit vor ihrem Master-Studium. Nun heist es ihr die Neuseeländischen Verfahrensweisen näher zu bringen und Erfahrungen weiter zu geben. Ist auf jeden Fall sehr spannend für beide Seiten. Es ist erstaunlich, wie gut ich schon zurechtkomme (immer noch entfernt vom Optimum). Leute kennenlernen, im Supermarkt oder den Hot Pool mit wild fremden Freundschaften zu schließen oder auf Mount Manganui mit einem Tschechen ohne großes Brimborium ins geschpräch zu kommen, all das währe für mich vor einem halben Jahr wohl noch nicht möglich gewesen. Nun ich hatte wohl keine Ahnung, worauf ich mich einließ und das bekomme ich auch zu spüren, aber es lohnt sich. Ich bin nicht frei von Zweifeln, was das WWOOFen betrifft, aber ich komme immer besser zurecht und es steht mir immer noch offen etwas anderes zu machen, auch wenn mir der aktuelle Modus Vivendi sehr gefällt. Merkwürdiger Weise lobt jeder mein Engisch… nun ja das Lernen einer Fremdsprache ist hier nicht so selbstverständlich, wie in Deutschland.
Damit gab es mal eine grobe Zusammenfassung und ich Falle ins Bett. Heute war Markttag und ich bin geschafft. :P